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Ritterplatz

Joseph Stoll war bereits in den frühen 20er Jahren daran interessiert, seine Heimatstadt Bensheim stetig zu verschönern und Mängel zu beseitigen. So erarbeitete er 1927 einen Gestaltungsvorschlag für den Ritterplatz, der zum einen die zunehmenden Verkehrströme lenken und leiten, zudem aber auch eine typisch "Bensemerische Note" besitzen sollte. Sein Konzept lautete "Platz für alle hat der Platz". Dieser sehr nüchterne Vorschlag wurde erweitert und umfasste danach auch die Bensheimer Berühmtheit schlechthin. Die "Fraa vun Bensem" sollte den Platz schmücken und gleichzeitig mit ihrer Laterne den Platz ausleuchten und den Weg "hinnerum", also zur Nibelungenstraße, weisen. Es wurde ein Gipsmodell geschaffen und sein Konzept gewann den ersten Preis. Vermutlich war es die Weltwirtschaftkrise, die seinem preisgekrönten Vorschlag das Aus bescherte, aber die Idee, die "Fraa vun Bensem" als Bensheimer Wahrzeichen im Stadtbild zu verewigen, sollte am Platz an der Stadtmühle wenige Jahre später in Erfüllung gehen. Schaut man sich den Ritterplatz heute an, so ist die Erweiterung des Bürgersteigs am Pavillon des Stadtparks auch heute noch erhalten.

Es wird wohl noch lange dauern, bis der Ritterplatz verkehrstechnisch sicher umgestaltet und die Idee "Platz für alle hat der Platz" als wünschenswerte Alternative umgesetzt wird.

Dokument Beschreibung: Zeitungsartikel im Bergsträßer Anzeigeblatt vom 7.12.1927 zur Neugestaltung des Ritterplatzes - Joseph Stoll gewinnt Ideenwettbewerb
Bergsträßer Anzeigeblatt vom 7.12.1927 zur Neugestaltung des Ritterplatzes, Gewinner des Ideenwettbewerbs Joseph Stoll stellt sein Konzept vor. Bergsträßer Anzeigeblatt, Mittwoch, den 7.12.1927; Zum Ritterplatzprojekt. Es dürfte von allgemeinem Interesse sein, zu erfahren, daß nunmehr auch die künftige Gestaltung des Ritterplatzes ihre Lösung gefunden haben dürfte. Wie man sich erinnern wird, hat die Stadtverwaltung auf Beschluß der Stadtverordnetenversammlung j. Zt. ein allgemeines Preisausschreiben ausgeschrieben, zu dem zahlreiche Entwürfe eingingen. Da Herr Bürgermeister Burbaum-Darmstadt, der zu dem Preisrichterkollegium gehörte, auf längere Zeit in Amerika weilte, mußte die endgültige Entscheidung bis zu seiner Rückkehr verschoben werden. Am 26. November trat das Preisgericht zusammen. Als Breisträger des ersten Preises ging Herr Gewerbelehrer Joseph Stoll-Bensheim mit seinem Entwurfe "Platz für alle hat der Platz" hervor. Wir haben den Hrn. Preisträger gebeten, unseren Lesern eine ausführl. Beschreibung seines Planes zu geben u. die Gründe auseinanderzuseßen, die ihn bei der Anfertigung desselben leiteten. Er entsprach unserem Wunsche wie folgt: Fast in jeder größeren Stadt kann man die Beobachtung machen, daß die oft prächtigen und s.Zt. unter Aufwand bedeutender Geldmittel geschaffenen Anlagen auf freien Plätzen dem wachsenden Verkehr weichen müssen. Es ergibt sich daraus, daß es ein Fehler wäre, wenn man bei einer Neugestaltung des Ritterplages vom rein architektonischen Gesichtspunkte ausgehen wolle. Wenn auch zugegeben sein mag, dag gerade der Ritterplaz reizvolle künstlerische Lösungen zuläßt, ja sind es doch zwei Erwägungen, die die Verwirklichung dieser Lösungen als unangebracht erscheinen laffen. Die eine ist die Geldfrage, die bei einer kleinen Kreisstadt wohl in Erwägung gezogen werden muß, die andere der stets wachsende Autoverkehr, der in absehbarer Zeit eine neue Umgestaltung notwendig machen würde. Allein vom verkehrstechnischen Gesichtspunkten mußte daher an de Ritterplatzfrage herangetreten werden. Da waren es zwei Momente, die bestimmend waren. 1. Übersichtlichteit; 2. bewußtes Einzwängen der Fahrzeuge in eine bestimmt vorgeschriebene Fahrbahn. Wenn heute beispielsweise ein Auto die Ecke beim Hause Fuchs nimmt, so wird es von einem aus entgegengesetzer Richtung kommenden erst gesichtet, wenn es bereits die Kurve genommen hat. Dasselbe gilt von einem Fahrzeug, das von der Schönbergerstraße her in die Darmstädterstraße einbiegt. Ich habe deshalb sowohl am Hause Fuchs als auch am Gartenpavillon des Rodensteinerhofs das Trottoir derartig verbreitert, daß ein Auto eine viel weiter ausladende Kurve beschreiben muß, sodaß es von den aus der Richtung von Auerbach fahrenden Kraftfahrzeugen bereits gesichtet wird, bevor es im Begriffe steht, die Kurve su nehmen. Den Beleuchtungsmast, der als Betonmast gedacht ist, habe ich in der Richtung nach der Häuserreihe Guntrum, Krauß zurückversetzt, sodaß er sein Licht nach drei Seiten spenden kann. Den so entstandenen freien dreieckigen Fahrraum des Ritterplatzes denke ich mir zugepflastert und auf bei den Seiten durch zwei schmale Verkehrszungen, die an beiden Enden burch kurze rotweis gestrichene Pfähle weithin kenntlich gemacht sind, abgeteilt. Jeder Autolenker weiß, auf welcher Seite der Verkehrszungen er vorschriftsgemääß seinen Weg zu nehmen hat, sodaß unvorhergesehene Zusammenstöße und Unglücksfälle für die Zukunft wohl ausgeschlossen erscheinen. Die Platzmitte in irgend einer Form mit irgend einer Anlage zu versehen, hielt ich für unangebracht. Dadurch wäre den Lastfuhrwerken mit Pferdebespannung jede Möglichkeit genommen, wie seither in einem weiten Bogen über den Platz zu fahren und sich so den Vorteil der schiefen Ebene nutzbar zu machen. Mancher mag ja von der nüchternen Einfachheit meiner Lösung etwas enttäuscht sein. Er soll aber bedenken, daß das Rad der modernen Zeit rücksichtslos dahinrast und der Romantik nur noch abseits der breiten Straße des lauten Alltags ein lauschiges Plätzchen gönnt. Eine einfache Lösung hat auch noch den praktischen Vorteil, daß sie eine Verwirklichung zuläßt. Ein umfangreicheres großzügigeres Anlageprojekt bedeutet dagegen in unserer geldknappen Zeit nur eine schöne, in den Bereich der Träume gehörige Zukunftsmusik.
Dokument Beschreibung: Zeitungsartikel im Bergsträßer Anzeigeblatt vom 01.04.1928 zur Sitzung des Verkehrsvereins und Neugestaltung des Ritterplatzes
Zeitungsartikel im Bergsträßer Anzeigeblatt vom 01.04.1928 zur Sitzung des Verkehrsvereins und Neugestaltung des Ritterplatzes Bergsträßer Anzeigeblatt; Großzügige verkehrspolitische Projekte in Bensheim, Aus der Sitzung des Bensheimer Verkehrsvereins, Bensheim, den 31. März 1928. Am gestrigen Nachmittag hatten sich führende Männer aus dem Bensheimer Wirtschaftsleben, aus Kunst und Wissenschaft, sowie von der Presse eingefunden, um über Mittel und Wege, den Bensheimer Verkehrsverein zu neuem Leben zu erwecken, gemeinschaftlich zu beraten. Es wurde allseits dabei betont, wie außerordentlich wichtig, ja wie bringend notwendig es sei, daß der Bensheimer Verkehrsverein seine in früheren Jahren so erfolgreiche Tätigkeit wieder mit neuer Kraft aufnehme. Freilich verhehlte man sich nicht, daß der zu neuem Leben zu erweckende Verein nur dann für Bensheims Belange praktische und erfolgreiche Arbeit leisten könne, wenn es gelinge, eine entsprechend qualifizierte und tatkräftige Persönlichkeit an die Spitze zu berufen. Doch hielt man es zunächst für ratsamer, diese wichtige Frage bis zu Anfang des Saisonendes au vertagen. Zu praktischen Bensheimer Verkehrsfragen übergehend, wurde man sich nach kurzer Debatte darüber schlüssig, daß es für unser Bensheim verkehrspolitisch derzeit keine vordringlichere Aufgabe gebe wie die, die Neupflasterung der unteren Hauptstraße ins Werk zu geben. Diese Arbeiten durchzuführen, müsse um so eher möglich sein, da es sich hier um einen jahrhundertealten, somit notorischen Notstand handele, dessen Behebung gewiss im Wege öffentlicher Notstandsarbeiten geschehen könne. Von Seiten der Stadtverwaltung wurde ein beschleunigtes Inerwägungziehen zugesagt. Als weiterer Punkt der Tagesordnung hatte man sich mit der zukünftigen Verwertung des Rodensteiner Hofs zu beschäftigen. Den Bemühungen maßgeblicher Bensheimer Finanzleute ist es nämlich gelungen, die Darmstädter Kommunal-Hotel-Aktien- Gesellschaft" am Rodensteiner Hof zu interessieren. Diese Gesellschaft wäre nämlich unter Umständen bereit, den gesamten Rodensteiner Hof pachtweise zu übernehmen, und hier an der Bergstraße ein großzügiges Hotel-Etablissement, in der Form einer selbständig geführten Tochterfirma (G.m.b.H) einzurichten. Die Gesellschaft wäre bereit, der Stadt als Eigentümerin späterhin eine Jahresmiete von 48 000 RMk. zu zahlen. Es ist nur allzu begreiflich, wenn sich der Sitzungsteilnehmer eine große und freudige Überraschung bemächtigte, als der Versammlungsleiter den Teilnehmern von diesem Angebot Mitteilung machte. Man war einhellig der Überzeugung, dieses Projekt verdiene stadtweit wärmste Unterstützung. Als letzter Beratungsgegenstand beschäftigte sich die Tagung mit der Frage der Ausgestaltung des Ritterplatzes. Es wurde nämlich die allzu starke Nüchternheit des preisgekrönten Entwurfs verschiedentlich beanstandet. Man wolle auf eine monumentale Ausschmückung dieses Platzes nicht völlig verzichten. Es wurde der originelle Vorschlag gemacht, das Künstlerische mit dem Süßlichen zu verbinden, indem man nämlich in dem nördlichen spitzen Winkel des ungepflasterten Ritterplatzdreiecks ein Monument der „Frau von Bensheim“ aufstellte, wie sie gerade mit ihrer einen Hand nach der Fuchs'schen Ecke hindeutet. So - mutatis mutandis - den Automobilisten den Weg „hintenherum“ weisend. Zur Nachtzeit werde ihr eine weithin leuchtende Laterne in die Hand gegeben. Mit dieser so vielversprechenden Eröffnungsitzung dürften die Vorbereitungen zur Neuorganisierung unseres Bensheimer Verkehrsvereins einen entscheidenden Schritt vorangekommen sein.
(Nachwort der Redaktion: Wie wir kurz vor Redaktionsschluß zu dem hier wiedergegebenen Sitzungsbericht noch erfahren, hat Lokalkünstler Stoll und Studienrat Mager in gemeinsamer Arbeit schon ein Gipsmodell dieses Monumentes hergestellt, welches am Sonntag vormittag in der Bensheimer Rathaus halle von künstlerisch interessierten Kreisen unentgeltlich besichtigt werden kann. Eine Besichtigung dürfte sich zweifelsohne für alle Bensheimer sehr empfehlen.)